Zusammenarbeit für das intelligente Zeitalter
Implikationen für Unternehmer und Manager
Unter dem Motto „Zusammenarbeit für das intelligente Zeitalter“ diskutieren Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft beim Weltwirtschaftsforum 2025 (WEF) in Davos. Es geht um Chancen und Risiken durch Technologie sowie Kollaboration. Für Unternehmer und Manager ergeben sich daraus Erkenntnisse von strategischer Bedeutung.
Der Begriff „intelligentes Zeitalter“ geht auf Klaus Schwab zurück. Ausgehend von der vierten industriellen Revolution sieht der WEF-Gründer nun eine Ära anbrechen, die weit über Technologie hinaus durch gesellschaftliche Umwälzungen geprägt ist. Getrieben durch Fortschritte der Künstlichen Intelligenz, Blockchain und Quantencomputer, nimmt Schwab einen „allumfassenden Wandel in Echtzeit“ wahr. Damit dieser die Gesellschaft nicht spaltet, müsse er weit über den technologischen Fortschritt hinausgehen und das menschliche Potenzial tatsächlich fördern.
Chancen und Risiken durch Technologie
Schwab hält es für zwingend erforderlich, neben der technologischen Intelligenz auch ökologische, soziale und geopolitische Intelligenz zu entwickeln.
- Einerseits brächten KI und Automatisierung erheblichen Nutzen für Branchen wie das Gesundheitswesen, die Landwirtschaft, Industrie oder das Finanzwesen. Zudem werde sich die Lebensqualität u.a. durch Smart Cities verbessern. Die Virtualisierung könne sich fundamental darauf auswirken, wie Menschen persönlichen Raum, Eigentum und Gemeinschaft definieren.
- Andererseits gebe es potenzielle Nachteile und Risiken, weil Automatisierung dazu führe, dass Millionen von Arbeitnehmern verdrängt werden. Die wirtschaftlichen Vorteile dieser Veränderungen müssten umfassend geteilt werden, wenn eine Vertiefung der Ungleichheiten und eine Bedrohung des sozialen Zusammenhalts vermieden werden soll. Zugleich müsse der erhebliche Energiebedarf der neuen Technologien durch Erneuerbare Energien gedeckt werden, um den Klimawandel nicht zu verschärfen. Auch Voreingenommenheit, Fehlinformationen und Delegation von Entscheidungen an KI seien risikobehaftet.
Soziale Intelligenz und geopolitische Intelligenz
Schwab hält es daher für notwendig, neue Formen der Intelligenz in den Fokus zu rücken.
- Soziale Intelligenz: Im Verständnis der gesellschaftlichen Auswirkungen von Technologie müsse Inklusion und Gerechtigkeit gefördert werden, anstatt zu spalten und zu polarisieren. Unternehmen sollten ihre Geschäftsmodelle überdenken und sicherstellen, Arbeitnehmer und ganze Teile der Gesellschaft nicht zurückgelassen werden – wenn aufgrund der technologischen Entwicklung künftig viele Berufsbilder wegfallen und neue Fähigkeiten wichtig werden.
- Geopolitische Intelligenz: Im Verständnis der Auswirkungen von Technologie auf globalen Machtdynamiken müssten Lösungen gefunden werden, um Zusammenarbeit statt Konkurrenz zu fördern sowie die durch KI entstehenden sicherheitspolitischen Herausforderungen und potenziellen Konflikte einzudämmen.
Vor diesem Hintergrund seien globale Zusammenarbeit und internationale Rahmenbedingungen für die Governance von KI und neuen Technologien unverzichtbar. Bei der Gestaltung der Zukunft müssten alle Nationen ein Mitspracherecht haben.
Implikationen für die Wirtschaft
Für Unternehmer und Manager ergeben sich aus diesen validen Einschätzungen verschiedene Implikationen. Dies betrifft sowohl die interne Sphäre als auch das Geschäftsmodell.
Implikationen für die interne Organisation
- In Weiterbildung und Umschulung investieren: Unternehmen sollten in kontinuierliche Weiterbildung und Umschulung investieren, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter die notwendigen Fähigkeiten erwerben, um in einem von KI geprägten Umfeld erfolgreich zu sein. Dies kann durch interne Schulungsprogramme, Kooperationen mit Bildungseinrichtungen oder Online-Kurse erfolgen.
- Transparente Kommunikation praktizieren: Mitarbeiter sollten über die Einführung neuer Technologien und deren mögliche Auswirkungen auf ihre Arbeitsplätze informiert werden. Eine klare Kommunikation kann dazu beitragen, Ängste abzubauen und die Anpassung an neue Arbeitsweisen zu erleichtern.
- Flexibilität und Anpassungsfähigkeit fördern: Unternehmen sollten eine Kultur der Flexibilität und Anpassungsfähigkeit fördern. Dies bedeutet, dass Mitarbeiter ermutigt werden sollten, neue Rollen und Verantwortlichkeiten zu übernehmen und sich ständig weiterzuentwickeln. Eine dynamische Arbeitsumgebung kann dazu beitragen, die Herausforderungen der Automatisierung und KI zu bewältigen.
- Unterstützen und Ressourcen bereitstellen: Unternehmen sollten den Mitarbeitern erforderliche Unterstützung und Ressourcen zur Verfügung stellen, um den Übergang zu neuen Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu erleichtern. Dies kann durch Mentoring-Programme, Karriereberatung oder finanzielle Unterstützung für Weiterbildungsmaßnahmen geschehen.
Implikationen für das Geschäftsmodell
Aufgrund der neuen technologischen Möglichkeiten durch AI und der Parallelen in verschiedenen Branchen bietet sich zudem für Unternehmen eine in dieser Form bisher nie dagewesene Möglichkeit, in neue Geschäftsfelder vorzustoßen und neue Revenue Streams zu erschließen. Branchenübergreifend ist zu erkennen, dass Künstliche Intelligenz und Automation für Unternehmen unverzichtbar werden. Anders als noch vor einigen Jahren geht es z.B. bei Automation nicht mehr nur um Effizienz und Substitution menschlicher Arbeitskraft. Im Fokus steht künftig, die Produktivität im Zeichen des demografischen Wandels sicherzustellen. Unternehmer und Executives sollten daher zum einen die Konvergenz vorantreiben.
Zum anderen führen neoimperialistische Tendenzen und geopolitische Spannungen zu Risiken für Lieferketten und Absatzmärkte. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und bewaffneter Konflikte in verschiedenen Regionen haben gezeigt, dass Asset Light Strategien und geringe Fertigungstiefe stark risikobehaftet sind. Friendshoring und Nearshoring liegen deshalb im Trend. Für Unternehmer und Manager geht es im Kern darum, ihr Unternehmen unabhängiger zu machen – von einzelnen Kunden, Zulieferern, sachlichen und geografischen Märkten. Kurzum: Diversifikation voranzutreiben.
Beides zusammen – Konvergenz und Diversifikation – lässt sich auch als „Convergification“ bezeichnen.
Kollaboration als Schlüssel
Convergification erfordert Kollaboration. Denn es gibt nur wenige Unternehmen, die zeitgleich diversifizieren und konvergieren können. Seit jeher prägen unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit die Entwicklung der Wirtschaft. Vom Bau von Bewässerungssystemen und Pyramiden in frühen Zivilisationen wie im antiken Mesopotamien und Ägypten über Gilden und Zünfte von Handwerkern und Kaufleuten im Europa des Mittelalters bis zur modernen digitalen Ära zeigt sich, dass gemeinschaftliches Handeln und der Austausch von Wissen und Ressourcen zentrale Elemente für wirtschaftlichen Erfolg und Innovation sind.
Wie die Bertelsmann-Stiftung in ihrer Studie „Kollaborative Innovationsprozesse“ (erschienen im Juni 2024) hervorhebt, ist die enge Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb der Lieferkette vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen von zentraler Bedeutung, um ihre Innovationsfähigkeit und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Demnach steigen die Erfolgschancen der Anbahnung einer Kollaboration, wenn es dem Unternehmen gelingt,
- einer möglichst hohen Zahl an potenziellen Partnern
- seine jeweiligen Fähigkeiten zu vermitteln und
- aufzuzeigen, welche konkreten Kompetenzen es sucht.
Unternehmer und Executives sollten für die Weiterentwicklung ihres Geschäftsmodells nach passenden strategischen Partnern aus verschiedenen Branchen und Fachgebieten suchen, um Convergification parallel voranzutreiben. Über Public Relations, digitale Plattformen, Verbände und Kammern und Wirtschaftsförderer sollte gezielt regional, überregional und auch international gezeigt werden, welche Fähigkeiten das Unternehmen hat und welche Kompetenzen es von einem Partner konkret benötigt.
Wie die Studie weiter zeigt, bestehen gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen oftmals Vorbehalte gegenüber Kollaborationen mit Start-ups. Dies sollte selbstkritisch hinterfragt werden, da die hohe Quote der erfolgreichen Kooperationen – wenn sie auf Augenhöhe eingegangen werden – die bedeutende Rolle als Innovationsquelle verdeutlicht.
Ist ein potenzieller Partner gefunden, sollte im offenen Dialog anhand konkreter Meilensteine definiert werden, was soll mit der Kollaboration bis wann erreicht werden soll in quantitativer und qualitativer Hinsicht. Wenn sich im weiteren Verlauf zeigt, dass die Ziele nicht erreicht werden bzw. nicht erreichbar sind, bestimmt dies die Dauer der Zusammenarbeit. Vorab lässt sich die Dauer schwer einschätzen – vor allem, wenn die Entwicklung des jeweiligen Markts dynamisch ist und/oder der strategische Partner noch keinen langen Track Record hat, was gerade bei digitalen Geschäftsmodellen häufiger vorkommt. Ein engmaschiges Begleiten und Nachhalten der Entwicklung der strategischen Partnerschaft ist also erfolgskritisch.