Qubits treiben den Wandel
Wie Quantum Computing die Wirtschaft umwälzen kann
Quantum Computing hat das Potenzial, Gesellschaft und Wirtschaft umzuwälzen. Mit exponentiell gesteigerter Rechenleistung lassen sich Probleme lösen, die für klassische Computer unlösbar oder zeitaufwändig sind. In welchen Bereichen dies bereits geschieht und wie Unternehmer oder Manager künftige Potenziale nutzen können, erläutert Damir Bogdan.
Der Wirtschaftsinformatiker und Mitglied mehrerer Aufsichtsräte, leitet als CEO von Quantum Basel das Schweizerische Kompetenzzentrum für Quantum Computing und KI. Er ist überzeugt, dass diese Technologie branchenübergreifend zu Umwälzungen führt, weil sie industrieagnostisch ein übergeordnetes Muster habe. „Immer dort, wo Optimierung, Simulation oder maschinelles Lernen zum Tragen kommen, hat Quantum Computing das Potenzial Prozesse zu verschnellern und verbessern“, so Bogdan. „Dabei ist Geschwindigkeit gar nicht der wesentliche Vorteil. Entscheidend ist, dass Quantenrechner aus sehr viel mehr Möglichkeiten und Varianten die jeweils besseren Optionen besser herausfiltern können als klassische Rechner“.
Stärke bei Variantenreichtum
Als Anwendungsbeispiel nennt er HVAC-Systeme, also Heizung, Lüftung und Klimatechnik. In einem Industriegebäude werden oftmals hunderte Kilometer Röhren verlegt verschiedenster Arten und Sorten. Für die Planung des Gebäudes kann mithilfe von Quantenrechnern eine Netzwerksimulation vorgenommen werden. „Dafür braucht es mithilfe von Quantum Computing nur einen Mitarbeiter und einen Tag. Früher waren es mehrere Mitarbeiter über mehrere Wochen“, berichtet Bogdan. Zudem lasse sich signifikant Material einsparen, was die Baukosten verringere. „Und auch im Betrieb des Gebäudes bringt die Simulation mittels Quantenrechner deutliche Einsparungen. Denn anders als früher das Kabel-Netzwerk sieht nicht mehr aus wie ein Topf Spaghetti, sondern viel geordneter – was auch dazu führt, dass es viel weniger Kreuzungen mit Schläuchen oder Rohren gibt, die vormals den Luftstrom gestört und deshalb mehr Energie verbraucht haben.“ Die Stärke der Quantenrechner verglichen mit klassischen Rechnern liege in der Simulation vor allem darin, verschiedenste Varianten berücksichtigen zu können. „Je mehr sog. Constraints vorhanden sind, desto besser eignen sich Quantum Computing“, betont Bogdan, der über dieses Thema rund um die Welt referiert.
Potenzial bei Fehlertoleranz
Mit Blick auf maschinelles Lernen könnten Quantenrechner ähnlich gute Ergebnisse erzielen wie klassischen Rechner – vor allem, wenn die Datensätze sehr unterschiedlich sind und die Datenqualität nicht überall gleich gut ist. Allerdings seien Quantenrechner noch nicht universell einsetzbar, weil sie dafür fault-tolerant sein müssten. Das System müsse auch bei Fehlern oder Störungen weiterhin ordnungsgemäß funktionieren. Weil Quanteninformationen fragil und Qubits anfällig für Rauschen und Dekohärenz sind, ist dies momentan noch nicht möglich. „Die Fehlertoleranz ist der heilige Gral. Mit Algorithmen lassen sich die Defizite der Quantenrechner ausgleichen und schon mit dem, was sie heute können, sind sie gut genug“, so Bogdan.
Energieeffizienz
Mit Blick auf den erheblichen Strombedarf von Anwendungen der Künstlichen Intelligenz merkt Bogdan an, dass Quantum Computing vergleichsweise effizient sei. „Unser Quantenrechner beispielsweise läuft mit 17 KWh pro Stunde – das ist weniger als mein E-Auto und deutlich weniger als klassische Superrechner mit drei bis fünf Megawatt pro Stunde“, erläutert Bogdan. Mit bewährten Konzepten wie dem Bezug von Strom aus Wasserkraft und der Nutzung von Abwärme für Wohnungen, wie es bei QuantumBasel praktiziert wird, lasse sich zudem ein effizienter Energiekreislauf einrichten.
Y2Q Risiko managen
Ein großes Diskussionsthema ist, ob und wann Quantencomputer in der Lage sind, die momentan verwendeten Verschlüsselungsalgorithmen des Internets zu knacken. Zum Hintergrund: heute kommen mit RSA und AES zwei Verfahren zum Einsatz, um Websites oder Datenübertragungen zu verschlüsseln. Für die RSA-Verschlüsselung werden zwei Primzahlen multipliziert. Das Produkt wird im öffentlichen Schlüsselteil zugänglich gemacht; die Faktoren selbst aber bleiben geheim. Bisher gibt es keinen Rechner, der stark genug ist, die Rückwärtskalkulation zu machen.
„Studien zufolge gibt es eine Wahrscheinlichkeit von 3%, dass Quantenrechner bis zum Jahr 2030 in der Lage sind, die bestehenden Verschlüsselungsalgorithmen zu knacken. Ob das eintrifft, ob es früher oder später kommt, weiß aber niemand“, hebt Bogdan hervor. Das U.S. National Institute of Standards and Technology (NIST) hat im August 2024 vier Standards publiziert, mit denen sich quantensichere Protokolle für die Verschlüsselung einsetzen lassen – ein Standard für allgemeine Verschlüsselung und drei für digitale Signaturen. Diese sog. Post-Quantum-Kryptographie-Standards (PQK) beruhen auf komplexer Mathematik von Polynomverbänden und Hash-Funktionen und sind besonders schwer zu knacken. PQK sollen hohen Schutz gegen leistungsstarke Quantenrechner und KI-basierte Angriffe bieten.
„Für Unternehmer und Manager sollte es vor diesem Hintergrund nun darum gehen, in ihrem Unternehmen die auch in einigen Jahren noch relevanten Daten identifizieren, entschlüsseln und nach den neuen Standards der NIST verschlüsseln zu lassen. Zudem sollte ein Prozess definiert werden, wie alle neu hinzukommenden Daten ebenfalls durch die NIST-Standards geschützt werden“, so Bogdan, der sein Know-how auch als Verwaltungsrat einbringt. Mit diesem Vorgehen lasse sich das Risiko deutlich eindämmen, dass duch Y2Q in Zukunft alle Firmendaten und sämtliche Kommunikation durch Quantenrechner transparent gemacht werden.
