Die Wolfswirtschaft erwacht

Warum die Mongolei für internationale Unternehmen interessant wird

Inmitten Ostasiens strebt ein Land nach einer strategischen Position in der Weltwirtschaft: Die Mongolei verfügt über reichhaltige Bodenschätze wie beispielsweise seltene Erden, die für die Herstellung von Quantum-Chips wichtig sind. Zugleich treibt die Regierung große Infrastrukturprojekte in punkto Erneuerbare Energien und Transport voran, setzt auf eine „digital-first Strategie“, den Export von hochwertigen Verbrauchsgütern und Tourismus. Daraus ergeben sich interessante Geschäftsansätze für Unternehmer und Manager in der „Wolfswirtschaft“.

In der endlosen Weite der Wüste Gobi rasen vier Motorradfahrer über eine Piste, ziehen eine lange Staubwolke hinter sich her. An steilen Felswänden des Gobi Gurvansaikhan National Park vorbei geht es zum Khongoryn Els, wo riesige Sanddünen auf das Altai Gebirge mit dem 4.000 Meter hohen Altai Gipfel treffen. Ziel der Gruppe ist das „Ger Camp“ – eine kleine Zeltstadt. In den runden, weißgrauen, haushohen und vollausgestatten Zelten finden die Fahrer einen Unterschlupf für die Nacht.

Erlebnis-Tourismus erzeugt Besucherwachstum

„Die Natur der Mongolei zu erleben und individuell zu reisen, hat in den vergangenen zwanzig Jahren viele internationale Touristen angezogen“, sagt Ganhuyag Chuluun Hutagt und zeigt ein Werbevideo mit beeindruckenden Drohnenaufnahmen.

Der Unternehmer und frühere Vize-Finanzminister der Mongolei verweist auf ein starkes Besucherwachstum. Im Jahr 2023 habe die Zahl der Touristen bei 593.000 gelegen. Zwischen dem Jahr 2000 und 2019 habe sich die Zahl der internationalen Besucher um das 13-Fache gesteigert. Dazu beigetragen habe auch, dass aus 61 Ländern visumfrei eingereist werden kann.

Kaschmir und Vodka als Exportschlager

Neben Erlebnis-Tourismus setzt die Mongolei auf hochwertige Konsumgüterartikel. Etwa 50% der weltweiten Kaschmir-Wolle wird in dem Binnenstaat hergestellt und weltweit vertrieben. „Auch für Premium-Wodka der Marke Chinggis Khan ist die Mongolei global bekannt“, sagt Gan und erhebt sein Glas. Die Grundlage hierfür ist die starke Landwirtschaft, die für internationale Hersteller von Landmaschinen und modernen Agrartechnologien potenzialstark ist.

Bodenschätze sind Rückgrat der Wirtschaft

Das Rückgrat der mongolischen Wirtschaft bildet indes der Bergbau, der rund ein Viertel zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Vor allem Kohle und Kupfer (Top 5-Exportland) werden abgebaut, daneben Zink, Eisen, Uran, Wolfram oder Flussspat (Top 4-Exportland). Die Gold-Produktion wurde innerhalb von 20 Jahren bis 2022 um das 26-Fache gesteigert. „Zudem können wir mit seltenen Erden wie Kobalt oder Terbium eine strategisch interessante Alternative zu China bieten“, hebt Gan hervor. Weil bisher nur ein Bruchteil des mongolischen Territoriums erkundet wurde, finden spezialisierte Unternehmen in diesem Bereich erhebliches Geschäftspotenzial.

Fokus auf Erneuerbare Energien und Transport

Um sich unabhängiger von Energie und Logistik aus Russland zu machen, treibt die mongolische Regierung große Infrastrukturprojekte voran. „Wir haben etwa 300 Sonnentage pro Jahr. Vor allem für Solarenergie bietet die Mongolei daher enorme Chancen für Solar- und Windkraftunternehmen“, sagt Gan und weist darauf hin, dass das Gesamtpotenztial der Erneuerbaren Energien auf 3.300 Gigawatt geschätzt wird.

Bis zum Jahr 2030 soll der Anteil von Strom aus Solar und Wind bei einem Drittel liegen. Daneben will die Regierung durch neue Straßen und Eisenbahnstrecken die regionalen Verbindungen in dem 1,5 Millionen Quadratkilometer großen Land (3-fache Größe Frankreichs) erweitern. Dies bietet für Bauunternehmen aus aller Welt interessante Anknüpfungspunkte.

Digitale Transformation und junge Bevölkerung

Darüber hinaus treibt die mongolische Regierung die digitale Transformation des Landes voran. Mehr als 1.000 Verwaltungsdienstleistungen sollen auf einer digitalen Plattform für Bürger und Unternehmen gebündelt werden. Zugleich wird daran gearbeitet, durch Satellitennetzwerke wie Starlink auch die ländlichen Regionen mit schnellem Internet anzubinden. Zusammen mit Kooperationspartnern aus aller Welt (u.a. Google) sollen die digitalen Fähigkeiten in der Bevölkerung und Wirtschaft ausgebaut werden.

Für internationale Unternehmen, die in der Mongolei investieren, bietet die etwa 3,5 Millionen Einwohner umfassende Bevölkerung, darunter mehr 1,7 Millionen Menschen allein in der Hauptstadt Ulaanbaatar, attraktives Potenzial: 2,1 Millionen Einwohner sind jünger als 35 Jahr, davon 1,26 Millionen im Alter unter 18 Jahren – interessant im Hinblick auf Konsumenten und Mitarbeiter.

Rückkehrer erwecken die Wolfswirtschaft

Angesichts des dynamischen Wirtschaftswachstums hat Ganhuyag Chuluun Hutagt die Mongolei schon vor Jahren mit dem Ausdruck „Wolfswirtschaft“ tituliert. Dieser Terminus wurde später von der russischen Investmentbank Renaissance Capital weiterverbreitet, die die Mongolei als „neuen asiatischen Tiger“ oder „mongolischen Wolf“ bezeichnete. Aufgegriffen hat diesen Begriff auch Autor Johan Nylander für sein im Jahr 2023 erschienenes Buch „The Wolf Economy Awakens“, in dem er die Entwicklungen des demokratischen Systems und der wirtschaftlichen Perspektiven für die Mongolei beschreibt. Er berichtet von Innovatoren und Unternehmern, die nach Jahren im Ausland zurückgekehrt sind, neue Impulse importieren – und damit die Wolfswirtschaft der Mongolei zum Erwachen bringen.

Board Journal – 13. Februar 2025

Zahlen und Fakten:

  • 3,5 Millionen Menschen Gesamtbevölkerung
  • 50% Wachstum der Beschäftigungszahl (2000-2023)
  • Hauptstadt: Ulaanbaatar
  • Staatsform: parlamentarische Demokratie
  • B+ / B+ / B2 Rating (2023)
  • 6,9% BIP-Wachstum (2015-2023)
  • 4,9% BIP-Wachstum pro Kopf (2015-2023)
  • 11,3% der ausländischen Direktinvestitionen im Verhältnis zum BIP (2023)
  • Verhältnis von Schulden zum BIP von 46,8% (2023)
  • Inflationsrate von 6,7% (3. Quartal 2024)
  • Arbeitslosenquote von 6,1% (Q3 2024)
  • Ausländische Direktinvestitionen: 6,5 Mrd. USD (2022/23)
  • Größter Handelspartner: China mit 14,2 Mrd. USD (Q3 2024), d.h. 69,6% des gesamten Handels der Mongolei
  • Schweiz zweitgrösster Handelspartner
  • Einfuhrzoll: 5-20%
  • NewCo kann innerhalb von 24 Stunden gegründet werden
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