Denk den Raum wie einen Laptop
Technologische und regulatorische Trends für Gewerbeimmobilien
Gebäude sind in der Europäischen Union (EU) für 40% des Energieverbrauchs und für mehr als ein Drittel der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Wenn das Ziel erreicht werden soll, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu sein, ist die Gebäudetechnik ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Was die EU-Kommission dazu plant und welche neuen technologischen Ansätze es für Gewerbeimmobilien gibt, wurde auf der ISH-Messe 2025 in Frankfurt präsentiert.
Ein Büro, in dem sich die Heizung automatisch einschaltet, wenn der Mitarbeiter zu arbeiten beginnt – und wieder ausschaltet, wenn er sich in die Mittagspause oder in den Feierabend verabschiedet. Ein Büro, das die Luftfeuchtigkeit und die Beleuchtung eigenständig reguliert. Ein selbstlernendes Büro, das sich an das Verhalten des Nutzers anpasst. Solche „präsenzbasierten Lösungen“ sind bereits Realität und ermöglichen es, mehr als die Hälfte an Heizkosten und CO2 einzusparen. Zugleich können Mitarbeiter für ihren individuellen Energieverbrauch am Arbeitsplatz mittels einer App sensibilisiert und auch finanziell incentiviert werden. „Ein solcher Ansatz funktioniert am besten, indem man aus jedem Raum ein Gebäude macht“, berichtet Maik Cwielong. Bisher seien Bürogebäude vor dem Neubau oder der Renovierung immer ganzheitlich betrachtet worden. „Einfacher ist es, das Gebäude auf die kleinste Zone runterzubrechen und den Raum wie einen Laptop zu denken, der mit Software eingerichtet und über eine Schnittstelle an das Gebäude angeschlossen wird“, ergänzt Marco Della Penna.
Büroraum emittiert riesige Datenmengen
Beide Experten sind für die Teffi GmbH in Weissach tätig, die sich mit Gebäudeautomation beschäftigt, um energieeffiziente und vernetzte Immobilien zu schaffen. Dabei erleben sie derzeit einen Paradigmenwechsel. „Jeder Büroraum emittiert zwischen 10.000 und 20.000 Datenpunkte pro Stunde. Permanent findet ein Soll-/Ist-Abgleich statt, wenn es um Temperatur oder Luftfeuchtigkeit geht. Solche Datenmengen können nur mittels IT sinnvoll verarbeitet werden“, so Della Penna. Deshalb kollaboriere man mit Software-Unternehmen. Hersteller von Gebäudeautomation hingegen stießen an ihre Grenzen. Weil der Markt schnellebig sei, liege der Fokus auf herstellerunabhängigen Softwarelösungen. Und damit lasse sich signifikant Energie einsparen. „In einem Gebäude der Universität Stuttgart konnten wir die Heizkosten um 60% pro Jahr senken“, betont Cwielong.
Regulatorische Neuerungen
Solche Ansätze passen zu regulatorischen Neuerungen, die Silvia Rezessy von der EU-Kommission im Rahmen der ISH 2025 vorstellte – und die erhebliche Konsequenzen für Eigentümer und Mieter von Gewerbeimmobilien haben. „Bis zum Sommer wollen wir Änderungen der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) auf den Weg bringen“, so Rezessy. Inhaltlich geht es insbesondere um die Qualität des Innenraumklimas („Indoor Environmental Quality“). Dieser Begriff soll nun erstmals definiert werden in Artikel 2 (66) und sowohl für Neubauten als auch größere Renovierungen gelten. Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Belüftungsrate und das Vorhandensein von Schadstoffen werden künftig die Parameter sein. Konkrete Vorgaben für Innenraumbedingungen sollen die EU-Mitgliedsstaaten festlegen können.
Technologische Vorgaben fürs Innenraumklima
Zugleich soll Technologie zur Messung des Innenraumklimas verbindlich in der Richtlinie fixiert werden. In gewerblichen Zero-Emission-Gebäuden und bei größeren Renovierungen bestehender Gewerbeimmobilien soll es künftig zwingend erforderlich sein, diese mit Geräten auszustatten, die die Luftqualität der Innenräume messen. Den EU-Mitgliedsstaaten soll es freigestellt sein, dies auch für Wohngebäude festzulegen. Zudem ist geplant, dass die Regelungen für Building Automation And Control Systems (BACS) für große Gewerbeimmobilien ausgeweitet werden mit Blick auf die Messung des Energieverbrauchs. „Sie sollen auf externe Signale reagieren und den Verbrauch daran anpassen können“, so Rezessy. Dazu passen auch die geplanten Vorgaben zur automatischen Lichtsteuerung (Automatic Lighting Controls).
Handlungsbedarf und Gamification
Bis die Änderungen auf EU-Ebene in Kraft treten, dürfte es nach den bisherigen Erfahrungen etwa zwei bis drei Jahre dauern. Daraufhin haben die EU-Mitgliedsstaaten weitere zwei Jahre Zeit, die Regelungen in nationales Recht umzusetzen. Was noch weit entfernt klingt, führt für Eigentümer und Betreiber von großen Gewerbeimmobilien allerdings schon jetzt zu Handlungsbedarf, wenn es um die Planung künftiger Immobilienprojekte geht. Die anstehenden Neuerungen sollten daher in den Blick genommen und berücksichtigt werden. Weil sich auf dem Weg bis zur Umsetzung technologisch noch einiges tun wird, sollten Daten und Software dabei im Fokus stehen. „Durch Transparenz über den Energieverbrauch eines Büros kann man Mitarbeitern bewusst machen, was ihr Verhalten energetisch ausmacht. Es gibt schon Gamification-Ansätze, um die Anreize für Mitarbeiter zu steigern“, sagt Marco Della Penna. So könnte der Spieltrieb für den Klimaschutz genutzt werden.
Board Journal – 20. März 2025
